Upskilling für die Zukunft – und warum es eher einen Skill-Mangel als einen Fachkräftemangel gibt

Die technologische Landschaft und die Nachfrage nach qualifizierten Fachkräften entwickeln sich rasant, insbesondere im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI). Um die Herausforderungen und Chancen in diesem dynamischen Umfeld zu verdeutlichen, hat Jobiqo-CEO Martin Lenz den Co-Founder von mytalents.aiFlorian Hasibar, zum Gespräch gebeten. Im Fokus steht die Frage, wie Unternehmen den wachsenden Mangel an Skills bei Mitarbeitenden sowie Bewerberinnen und Bewerbern adressieren können und welche Rolle Online-Jobbörsen in diesem Zusammenhang spielen.

Dabei wird deutlich, wie wichtig das “Upskilling” für die Arbeitswelt geworden ist – und warum es weniger  den viel zitierten Fachkräftemangel gibt, als viel mehr einen Skill-Mangel. Online-Jobbörsen kommt vor diesem Hintergrund die zentrale Aufgabe zu, mittels Upskilling nicht nur den Arbeitsmarkt effizienter zu gestalten, sondern auch Bildungschancen besser sichtbar zu machen. Upskilling etabliert sich als ein entscheidender Faktor für die Zukunft der Arbeit.

Martin Lenz: Florian, erzähl uns ein bisschen über mytalents.ai und euren Ansatz, den Unternehmen beim Upskilling ihrer Mitarbeitenden zu helfen.

Florian Hasibar: Mytalents.ai unterstützt Unternehmen, fit für die Zukunft zu werden und auch fit für die Zukunft zu bleiben. Wir helfen diesen Unternehmen dabei, die Fähigkeiten ihrer Mitarbeitenden in neuen Technologien wie zum Beispiel der generativen Künstlichen Intelligenz zu entwickeln und auszubauen. Mytalents.ai erstellt für jeden Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin individuelle Lernpfade, die auf ihre spezifischen Bedürfnisse zugeschnitten sind. Und zwar ganz unabhängig davon, ob diese z.B. aus den Bereichen Marketing, Vertrieb, Personalwesen, Finanzen, oder auch der IT-Abteilung kommen.

Martin Lenz: Es scheint, als gäbe es einen erheblichen Bedarf an solchen Diensten. Auch die mehr als 300 Jobbörsen, die Jobiqo weltweit für seine internationalen Kunden entwickelt hat, zeigen, dass es nicht unbedingt einen reinen Fachkräftemangel gibt, sondern eher einen Mangel an benötigten Skills. Wie siehst du das?

Florian Hasibar: Absolut. Die Landschaft der benötigten Fähigkeiten – also der Skills – verändert sich kontinuierlich. Ein gutes Beispiel ist der Bereich der generativen KI: Die Menge der Stellenausschreibungen, in denen Unternehmen die damit verbundenen Skills einfordern, ist 2023 um mehr als 450 Prozent gestiegen, wie die Computer World zuletzt berichtet hat. Das zeigt, dass Unternehmen aktiv nach diesen Fähigkeiten suchen – und auch bereit sind, für sie zu zahlen.

Martin Lenz: Welche Vorteile haben Mitarbeitende, die sich in diesen Bereichen weiterbilden, für ein Unternehmen?

Florian Hasibar: Fachkräfte, die kompetent im Umgang mit neuen Technologien wie eben der generativen Künstlichen Intelligenz sind, erweisen sich nicht nur als produktiver, sondern auch als innovativer. Eine Umfrage der führenden Lernplattform edX zeigt zudem, dass 82 Prozent der Führungskräfte gewillt sind, solche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch höher zu entlohnen, und 74 Prozent sind der Meinung, dass diese Leute eher befördert werden sollten. Es gibt aber auch eine wachsende Unzufriedenheit unter den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, besonders in den jüngeren Generationen. Etwa 39 Prozent überlegen, ihr Unternehmen zu verlassen, wenn sie nicht die Möglichkeit sehen, sich weiterzuentwickeln. Bei der Generation Z und den Millennials ist diese Zahl sogar noch höher.

Martin Lenz: Kürzlich hat der Fifteen Seconds Career Compass aufgezeigt, dass Weiterbildungen 2024 hoch im Kurs liegen. Gerade die jüngeren Generationen suchen aktiv nach Möglichkeiten zur beruflichen Weiterentwicklung. Wie kann mytalents.ai diesen Trend nutzen und die Unternehmen dabei unterstützen, diese Bildungsbedürfnisse zu erfüllen?

Florian Hasibar: Das ist eine wichtige Beobachtung. Wir bei mytalents.ai sehen uns als Brücke zwischen den aktuellen Fähigkeiten der Mitarbeitenden und den Anforderungen der Zukunft. Unsere Lernplattform bietet nicht nur Ausbildungen und Videokurse, sondern auch die direkte Anwendung von generativer KI und Produktivitäts-Tools im Arbeitsalltag mit unserem Produkt “mytalentsGPT”. Das heißt, Benutzerinnen und Benutzer lernen, wie sie ihre eigenen Fähigkeiten erweitern und können dies dann auch sofort auf der Plattform umsetzen. Wir ermöglichen somit individuelle Lernpfade mit spezialisierten Kursen für die jeweilige Abteilung. Es ist dabei egal, ob es sich um Personen handelt, die direkt von der Universität kommen, oder um Menschen, die schon seit Jahrzehnten im Unternehmen arbeiten. Bei MyTalents.ai ist es uns wichtig, die Ressourcen zur Verfügung zu stellen, damit Unternehmen ihre Teams nicht nur halten, sondern auch motivieren und fördern können.

Martin Lenz: Wie können Online-Jobbörsen helfen, diesen Trend zu nutzen und das Upskilling zu fördern?

Florian Hasibar: Online-Stellenmärkte sind in einer einzigartigen Position – nicht nur um Jobs zu vermitteln, sondern auch um Bildungsressourcen und Upskilling-Programme direkt zugänglich zu machen. Wenn Job-Plattformen z.B. auf Basis von Skill-Matching die genau passenden Kurse oder Zertifizierungen empfehlen, die auf den ausgeschriebenen Positionen basieren, profitieren sowohl die Arbeitgeber- als auch die Arbeitnehmerseite und können den Skill-Mangel aktiv adressieren. Überdies können die Arbeitgeber ihre Benefits rund um das Thema Weiterbildung sichtbar auf den Unternehmensprofilen der Jobbörse und in den Stellenanzeigen positionieren. Das erhöht das Interesse bei potenziellen Bewerberinnen und Bewerbern deutlich.

Martin Lenz: Bei Jobiqo sehen wir im gesamten Recruiting Prozess – von der Reichweite-Generierung und Sichtbarkeitsschaffung für die Stelle bis hin zur Suche (bzw. dem Matching) und den Bewerbungs-Flows – viele potenzielle Datenpunkte, die man zusätzlich nutzen könnte, um das Thema Skills, Skill-Matching und Upskilling einzubringen. Geht es dir ähnlich?

Florian Hasibar: Ich sehe es genauso. Und durch die Integration von Echtzeit-Daten über gefragte Skills könnten Upskilling-Plattformen wie mytalents.ai nicht nur helfen, die Kandidatinnen und Kandidaten besser zu platzieren, sondern auch Unternehmen dabei unterstützen, ihre Teams zukunftssicher zu machen.

 

Über mytalents.ai: Als führende Plattform für KI-Upskilling bietet mytalents.ai umfassende 24/7-Ausbildungen, die Mitarbeitende und ganze Teams fit für die Herausforderungen der modernen Arbeitswelt machen. mytalents.ai möchte aber nicht nur als Dienstleister agieren, sondern darüber hinaus KI-Wissen niederschwellig zugänglich machen. In einer Welt, in der KI-Kenntnisse immer weniger verzichtbar sind, setzt sich mytalents.ai dafür ein, diese essenziellen Fähigkeiten zu verbreiten und für jeden verfügbar zu machen.

Über Jobiqo: Jobiqo bietet eine White-Label-Jobbörsen-Plattform, die es Medienhäusern, Berufsverbänden, Universitäten und anderen Organisationen ermöglicht, ihre eigenen spezialisierten Jobportale zu betreiben. Jobiqo nutzt fortschrittliche KI-Technologien für das Matching von Stellenanzeigen bis hin zum Skill-based Matching von Kandidaten. Zusätzlich helfen unsere Programmatic Job Advertising Services (Jobiqo AIR) dabei, Jobanzeigen effektiv und zielgerichtet zu platzieren, um qualitativ hochwertige Kandidaten zu erreichen.

Zukunft der Jobvermittlung: Vom Skill-based Matching bis zur Künstliche Intelligenz

Die Zukunft der Jobvermittlung basiert auf Machine Learning- und Deep Learning-Algorithmen. Jobiqo hat damit u.a. das KI-Reichweitenprodukt „Jobiqo AIR“ entwickelt, das im Frühsommer 2023 vorgestellt wurde. Um die rasanten technologischen Entwicklungen im Bereich der Jobvermittlung für die Allgemeinheit besser einzuordnen, beantwortet Jobiqo-CTO Matthias Hutterer einige Fragen.

Mitte November 2023 hat das Arbeitsmarktservice (AMS) in Österreich angekündigt, ab 2024 die Arbeitsvermittlung zu modernisieren, indem ein sogenanntes „Kompetenzmatching“ eingeführt wird. Künftig werden Arbeitsuchende also nicht mehr nur aufgrund ihrer Berufsbezeichnung auf offene Stellen vermittelt, sondern es werden die gesamten relevanten Kompetenzen der Menschen berücksichtigt. Wie ist diese Entwicklung einzuordnen?

Matthias Hutterer: Das ist grundsätzlich ein wichtiger und guter Schritt. Das AMS erkennt an, dass die reine Fokussierung auf Berufsbezeichnungen in der dynamischen Arbeitswelt von heute nicht ausreichend ist. Die Berücksichtigung von Kompetenzen, Interessen und Fähigkeiten ist essenziell, um Arbeitssuchende rasch mit wirklich passenden Stellenangeboten abzugleichen und den Unternehmen langfristig passende Fachkräfte zuzuführen.

Das AMS spricht diesbezüglich von einer außergewöhnlichen Innovation. Ist diese Einordnung nachvollziehbar?

Hutterer: Im Kontext der öffentlichen Verwaltung ist die Einführung solcher Technologien sicher eine Errungenschaft – allerdings gibt es solche Systeme am Markt schon seit gut 20 Jahren. Die Herausforderung war bisher immer die Verfügbarkeit von möglichst vollständigen Datensätzen und strukturiert beschriebenen Informationen –  z.B. in Lebensläufen, Neigungsprofilen, Stellenausschreibung etc. Damit ist ein semantischer Abgleich, also das tatsächliche Matching, möglich, und kann durchaus genaue und aussagekräftige Ergebnisse liefern.

Welche besonderen Herausforderungen birgt dieser Ansatz des reinen „Skill-based Matching“?

Hutterer: Eine der größten Herausforderungen liegt in der Komplexität und Vielfalt der Kompetenzen (Skills) samt der Notwendigkeit, diese kontinuierlich zu aktualisieren und zu interpretieren. Die Technologie muss flexibel und adaptiv sein, um mit den sich ständig verändernden Anforderungen des Marktes Schritt zu halten. So müssen eben auch Berufskategorien, die sich insbesondere im Rahmen der Digitalisierung wandeln, rasch und dynamisch angepasst werden.

Wie kann man sich das genau vorstellen?

Hutterer: Zuletzt hatte es beispielsweise im Jahr 2022 beim AMS durch veraltete Berufsinformations-Systematiken eine amüsante Verwirrung rund um den Beruf des/r Philosoph:in gegeben. Weil keine passenden Begriffe für den Logistik-Bereich greifbar waren, wurde Philoph:in plötzlich zum Mangelberuf erklärt. Hintergrund war die frühere und kaum mehr gebräuchliche Bezeichnung des philosophischen Teilgebiets der Logik als „Logistik“. Man kann nur hoffen, dass die neuen, kompetenzbasierten Systeme des AMS nicht weiterhin auf dieser starren Systematik aufbauen. In den letzten Jahren hat sich international, insbesondere im Bereich der dynamischen Kontextdaten-Erkennung sowie der Künstlichen Intelligenz, z.B. dem Machine Learning oder Deep Learning, sehr viel getan.

Wie kann Künstliche Intelligenz (KI) dabei helfen, diese Schwächen im Matching zu überwinden?

Hutterer: Die KI-basierte Klassifikation, und nun auch generative KI-Syseteme und LLMs (Large Language Models wie ChatGPT oder Googles BARD, Anm.), bieten die Möglichkeit, ein vollständigeres und robusteres Verständnis für die Nuancen und die Komplexität der Jobvermittlung zu entwickeln. Diese Technologien können dabei helfen, Muster und Verbindungen zwischen verschiedenen Faktoren zu erkennen, die menschlichen Vermittler:innen möglicherweise entgehen.

Wie werden diese Technologien in die Jobiqo-Software integriert?

Hutterer: Wir können Künstliche Intelligenz im Allgemeinen und Generative AI im Besonderen bereits dafür nutzen, um ein umfassendes Bild jedes Arbeitssuchenden zu erstellen. Dabei berücksichtigen wir nicht nur individuelle Fähigkeiten, sondern auch die jeweiligen Karriereziele, Interessen und Präferenzen betreffend die Unternehmenskultur. Insbesondere die Aktivitäten, die Nutzer:innen auf von uns betriebenen Job-Plattformen setzen, führen zu neuen Kenntnissen betreffend die Neigungen und eignen sich besonders gut dafür, passende Jobvorschläge zu generieren. Dies alles kann helfen, über das traditionelle Skill-Matching hinauszugehen, und bietet eine ganzheitliche und zukunftsorientierte Vermittlung. Bereits im Jahr 2018 haben wir mit Unterstützung der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG)  an innovativen Lösungen zum Thema Kontext und Daten für Recommender Systeme gearbeitet.

Viele Menschen sorgen sich beim Einsatz von KI vor der Entstehung von Bias – also technologisch manifestierter Vorurteile. Welche Rolle spielt die Bias-Erkennung in solchen Systemen?

Hutterer: Bias-Detection ist ein zentrales Element in diesem Bereich, auch bei uns. Wir arbeiten seit 2021 eng mit der Johannes Kepler Universität Linz (JKU) und dem Institut für Computational Intelligence zusammen. In der Kooperation geht es darum, Bias in Daten zu erkennen und unsere Algorithmen zu optimieren, um etwaige Vorurteile in den Ergebnissen zu verhindern. Unser Ziel ist es, faire und inklusive Job-Matching-Plattformen zu schaffen, die Vielfalt und Chancengleichheit fördern, wie wir das mit zahlreichen Referenzen, wie zum Beispiel myAbility, durch die Herstellung von Barrierefreiheit auf Jobbörsen, erreicht haben.

Was dürfen wir uns im Bereich der Arbeitsmarkt-Vermittlung, Jobbörsen und Matching künftig erwarten?

Hutterer: Die Zukunft liegt in einer intelligenten, adaptiven und ganzheitlichen Vermittlung. Künstliche Intelligenz und Kontextdaten werden eine entscheidende Rolle spielen, um den sich schnell ändernden Bedürfnissen des Arbeitsmarktes gerecht zu werden. Unser Ziel bei Jobiqo ist es, an der Spitze dieser Innovation zu stehen und den Arbeitsmarkt effizienter, gerechter und inklusiver zu gestalten. Ganz nach unserer Unternehmensvision: „Help people find jobs online“.

Mag. Matthias Hutterer ist CTO bei Jobiqo und hat seit der Unternehmensgründung 2011 die Entwicklung von über 300 Job-Plattformen in 21 Ländern begleitet. Dabei setzte er mit dem Jobiqo-Team innovative Recruiting-Lösungen im Bereich Stellenmarkt, Matching und Programmatic Advertising um. Pro Jahr werden über die Jobiqo-Plattformen weltweit mehr als 10 Millionen Bewerbungen gestartet. Als studierter Wirtschaftsinformatiker Hutterer ist seit 2005 als Technologie-Experte im Bereich der Jobvermittlung tätig.